Wer mit Gefahrstoffen umgeht, sie verwendet oder auch "nur" lagert, kommt um sie nicht herum: Die Gefährdungsbeurteilung. Sie ist das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz. In unserem FAQ haben wir Ihnen die Antworten auf die häufigsten Fragen zum Thema "Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe" zusammengestellt.
Die Gefährdungsbeurteilung gilt als das zentrale Element im betrieblichen Arbeitsschutz und bildet die Grundlage für ein systematisches und erfolgreiches Sicherheitsmanagement. Die Gefährdungsbeurteilung dient dazu, potentiell auftretende Gefahren für die Beschäftigten bei der Arbeit zu identifizieren, zu bewerten und daraus geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten.
Die Gefährdungsbeurteilung ist im ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) vorgeschrieben. Neben dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz verpflichten seitdem zahlreiche weitere Regelwerke/Verordnungen zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen – zum Beispiel die Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) und die Arbeitsstättenverordnung (AStV). Auch das Chemikalienrecht kennt Gefährdungsbeurteilungen zur Definition von Sicherheitsmaßnahmen im Umgang mit Gefahrstoffen. So darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen ohne vorherige Gefährdungsbeurteilung nicht aufgenommen werden. Entsprechende Vorgaben finden sich in der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV). Konkretisiert werden diese insbesondere durch die TRGS 400 "Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen".
Obwohl sie seit 25 Jahren gesetzlich vorgeschrieben ist, wird die Gefährdungsbeurteilung in vielen Unternehmen noch immer vernachlässigt. Das liegt oftmals an einer Unkenntnis der gesetzlichen Vorschriften. Vor allem aber wird die Nichtdurchführung von Gefährdungsbeurteilungen meist damit begründet, dass im Betrieb keine nennenswerten Gefährdungen existieren bzw. Sicherheitsdefizite ohnehin von den Mitarbeitern selbst erkannt und gemeldet bzw. beseitigt würden.
Häufige Begründungen für die Nichtdurchführung von Gefährdungsbeurteilungen |
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Mitarbeiter erkennen Sicherheitsdefizite ohnehin selbst und melden oder beseitigen diese |
Keine nennenswerten Gefährdungen vorhanden |
Der Nutzen ist zu gering |
Die Vorschriften sind nicht bekannt |
Die gesetzlichen Anforderungen sind unklar |
Es fehlen Hilfestellungen |
Ist die Gefährdungsbeurteilung also ein Instrument, auf das guten Gewissens verzichtet werden kann? Diese Frage lässt sich mit einem klaren "Nein" beantworten – denn es gibt wesentliche Gründe, die für die Notwendigkeit von Gefährdungsbeurteilungen sprechen:
Sind Sie sicher, dass keine nennenswerten Gefährdungen in Ihrem Betrieb vorliegen? Haben Sie dabei wirklich jedes Arbeitsmittel und jede Tätigkeit im Blick? Wenn eine systematische Prüfung fehlt, kann es leicht passieren, dass Sicherheitsmängel übersehen werden. Die Methodik der Gefährdungsbeurteilung hilft Ihnen dabei, strukturiert und präzise die einzelnen Prozesse in Ihrem Unternehmen zu durchleuchten und somit sämtliche vorhersehbare Gefahrenquellen zu identifizieren. So sorgen Sie letztendlich für eine optimale Risikominimierung hinsichtlich potentieller Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten.
Mit der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen erfüllen Unternehmer Ihre gesetzliche Verpflichtung gemäß dem ArbeitnehmerInnenschutzgesetz. Die Dokumentation der GBU dient im Schadensfall als Nachweis dafür, dass den gesetzlichen Forderungen Rechnung getragen und geeignete Arbeitsschutzmaßnahmen für die Beschäftigten festgelegt wurden. Auch bei Überprüfungen durch die zuständigen Behörden kann mit einer sauber dokumentierten Gefährdungsbeurteilung das gesetzeskonforme Handeln belegt werden. Erfolgen aufgrund von Unfällen mit Personenschäden (mit schlimmstenfalls bleibenden Gesundheitsschäden oder Todesfolge) Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft, kann eine fehlende Gefährdungsbeurteilung zu Haftstrafen für die Verantwortlichen führen.
Die Folgekosten durch Arbeitsunfälle oder Berufskrankheiten sind enorm. Laut Fehlzeitenreport 2021 des WIFO verbrachten die unselbständig Beschäftigten im Jahr 2020 durchschnittlich 12,7 Kalendertage im Krankenstand. Dies entspricht einem Verlust an Jahresarbeitszeit von 3,5%. Zusätzlich zu den Ausfallzeiten drohen im Schadensfall Kosten für gerichtliche Auseinandersetzungen, Kosten für Schadenersatz sowie Bußgelder. Mithilfe von Gefährdungsbeurteilungen lässt sich nicht nur das Ausfallrisiko minimieren. Im Schadensfall kann sie auch der Absicherung vor Schadenersatzforderungen dienen.
Unternehmer tragen Verantwortung für Ihre Mitarbeiter. So ist auch das Thema Arbeits- und Gesundheitsschutz eine gesetzlich vorgeschriebene Führungsaufgabe. Zwar ist es durchaus positiv und erwünscht, wenn sich auch Mitarbeiter an Sicherheitsfragen beteiligen – die Verantwortung dafür an sie abzutreten, ist jedoch letztendlich nicht zulässig. Die Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen ist dagegen ein geeignetes Mittel, um der unternehmerischen Verantwortung nachzukommen.
Eine unsichere Arbeitsumgebung führt schnell zur Verunsicherung und Demotivation der Mitarbeiter. Auch können Sicherheitsmängel die Beschäftigten in ihrer Arbeit behindern und Prozesse dadurch verlangsamen. Wird der Arbeitsschutz im Unternehmen ernst genommen, so sendet dies das richtige Signal an die Mitarbeiter. Sie arbeiten effizienter und motivierter.
Die Verantwortung für die Gefährdungsbeurteilung trägt immer der Arbeitgeber. Die praktische Durchführung muss zwingend von einer sogenannten "fachkundigen Person" vorgenommen werden.
§2 GefStoffV: "Fachkundig ist, wer zur Ausübung einer in dieser Verordnung bestimmten Aufgabe über die erforderlichen Fachkenntnisse verfügt. Die Anforderungen an die Fachkunde sind abhängig von der jeweiligen Art der Aufgabe. Zu den Anforderungen zählen eine entsprechende Berufsausbildung, Berufserfahrung oder eine zeitnah ausgeübte entsprechende berufliche Tätigkeit sowie die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen."
Die TRGS 400 konkretisiert die Anforderungen der GefStoffV dahingehend, dass sie explizit Kompetenzen im Bereich Arbeitsschutz für fachkundige Personen vorschreibt. Weiterhin werden Kenntnisse über die gefährlichen Eigenschaften der vorhandenen Gefahrstoffe sowie zur Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen verlangt. Die entsprechenden Vorschriften müssen bekannt sein und die Arbeitsbedingungen sowie festgelegte Schutzmaßnahmen während einer Tätigkeit bewertet werden können. Entsprechende Kenntnisse können auch durch die Teilnahme an spezifischen Fortbildungsmaßnahmen erworben werden.
Insofern er über die geeignete Qualifikation verfügt, kann der Arbeitgeber selbst als fachkundige Person die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe durchführen. Besitzt er keine ausreichenden Kenntnisse, so muss er sich durch fachkundige Personen – dies können zum Beispiel Führungskräfte, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Betriebsärzte oder auch externe Dienste sein – beraten lassen bzw. diese mit der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung beauftragen. Natürlich müssen sämtliche erforderlichen Kenntnisse nicht in einer einzigen Person vereinigt sein. Ab einer bestimmten Betriebsgröße bzw. aufgrund der Heterogenität der geforderten Kenntnisse ist dies in der Regel auch nicht leistbar. Daher wird oft die Beteiligung mehrerer Personen notwendig, um ein optimales Schutzniveau zu erreichen.
Insbesondere ist auch das Wissen der Beschäftigten wertvoll. Denn diese kennen die eigenen Arbeitsabläufe inklusive auftretender Gefährdungen immer noch am besten. Sie sollten daher frühzeitig in das Verfahren mit einbezogen und an der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beteiligt werden. Auch Mitbestimmungsrechte, zum Beispiel seitens der Betriebs- und Personalräte sind zu beachten. Sollte die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung delegiert werden, so sind auch hier bestimmte Voraussetzungen der Haftungsdelegation zu beachten. Die Beauftragung muss schriftlich erfolgen und genau beschreiben, welche Aufgaben übertragen werden. Verantwortungsbereiche und Befugnisse müssen darüber hinaus konkret definiert werden. Der Arbeitgeber hat außerdem sicherzustellen, dass die mit der Durchführung der Gefährdungsbeurteilung beauftragten Personen die Anforderungen an die geforderte Fachkunde erfüllen und Zugriff auf sämtliche notwendigen Informationen erhalten.
Wichtig zu wissen: Die rechtliche Gesamtverantwortung sowie die Umsetzung der Ergebnisse verbleibt in jedem Fall beim Arbeitgeber – unabhängig davon, wer die Gefährdungsbeurteilung letztendlich durchführt.
Die Vorgehensweise bei der Gefährdungsbeurteilung für Tätigkeiten mit Gefahrstoffen wird in der TRGS 400 detailliert beschrieben und folgt folgendem Ablaufschema. Der gesamte Prozess der Gefährdungsbeurteilung ist zu dokumentieren.
Zunächst gilt es, sich einen genauen Überblick darüber zu verschaffen, welche Gefahrstoffe in welchen Mengen und bei welchen Tätigkeiten im Betrieb anfallen. Werden zum Beispiel Tätigkeiten mit gefährlichen Arbeitsstoffen durchgeführt oder können Gefahrstoffe bei Tätigkeiten entstehen oder freigesetzt werden? In welchen Mengen fallen die Gefahrstoffe an? All diese Informationen sind in einem Verzeichnis (Gefahrstoffkataster) festzuhalten. Dann wird geprüft, welche konkreten Gefahren durch die Eigenschaften der Stoffe entstehen können. Bei Gefahrstoffen sind insbesondere inhalative (Einatmen), dermale (Hautkontakt), orale (Verschlucken) und physikalisch-chemische Gefährdungen (z.B. Brand- und Explosionsgefahr) zu berücksichtigen. Neben der Art der Gefährdung ist auch eine entsprechende Risikobewertung vorzunehmen. Die Höhe der Gefährdung ist zum Beispiel vom Ausmaß und der Eintrittswahrscheinlichkeit eines zu erwartenden Schadens abhängig. Dabei spielt auch eine Rolle, wie häufig und wie lange eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen durchgeführt wird.
Nützliche Informationsquellen sind:
Das Sicherheitsdatenblatt ist eine zentrale Informationsquelle für Ihre Gefährdungsbeurteilung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen. Es beschreibt sowohl die gefährlichen Eigenschaften, die von dem Stoff oder Gemisch ausgehen, als auch die Maßnahmen, die vor diesen Gefahren schützen können. Das Sicherheitsdatenblatt ist auf offensichtlich unvollständige, widersprüchliche oder fehlerhafte Angaben zu überprüfen. Erforderlichenfalls muss beim Lieferanten ein korrektes Sicherheitsdatenblatt angefordert und von diesem geliefert werden. Erhält der Arbeitgeber die erforderlichen Informationen nicht, muss er sich diese Informationen selbst beschaffen oder die Gefährdungen, zu denen keine Informationen vorhanden sind, als vorhanden unterstellen und die entsprechenden Maßnahmen festlegen. Alternativ wird empfohlen, nur Stoffe bzw. Gemische zu verwenden, für die der Lieferant die erforderlichen Informationen bereitstellt. Auch für Stoffe und Gemische, für die aufgrund der gesetzlichen Vorgaben kein Sicherheitsdatenblatt erforderlich ist, sind Lieferanten verpflichtet, den Abnehmern verfügbare und sachdienliche Informationen zu übermitteln, die notwendig sind, damit geeignete Maßnahmen ermittelt und angewendet werden können. Innerbetrieblich hergestellte Stoffe oder Gemische oder Zwischenprodukte, die nicht in Verkehr gebracht werden, muss der Arbeitgeber gemäß § 6 GefStoffV selbst einstufen (s. TRGS 201 „Einstufung und Kennzeichnung bei Tätigkeiten mit Gefahrstoffen“).
Aus den gewonnenen Erkenntnissen zu Art und Höhe der Gefährdungen sind geeignete Schutzmaßnahmen abzuleiten. Bei deren Auswahl gilt das sogenannte STOP-Prinzip:
S Substitution – T Technische Maßnahmen – O Organisatorische Maßnahmen – P Personenbezogene Maßnahmen
Die Reihenfolge der Maßnahmen ist dabei gleichbedeutend mit ihrer Priorisierung. Eine technische Lösung, wie z.B. ein Schadstoffarbeitsplatz, ist dabei personenbezogenen Maßnahmen wie dem Tragen von Persönlicher Schutzausrüstung vorzuziehen. Die Wirksamkeit der umgesetzten Schutzmaßnahmen ist regelmäßig zu überprüfen. Wichtige Erkenntnisse dazu können z.B. gewonnen werden aus Arbeitsplatzmessungen, Informationen zum Stand der Technik, der arbeitsmedizinischen Vorsorge oder ("Beinahe-")Unfällen und Störungen im betrieblichen Ablauf. Die Schutzmaßnahmen sind dauerhaft und konsequent durchzusetzen (durch Betriebsanweisungen, regelmäßige Schulungen, Vorbildfunktion der Vorgesetzten und adäquate Maßnahmen bei Nichteinhaltung der Betriebsanweisungen).
Der Arbeitgeber darf eine Tätigkeit mit Gefahrstoffen erst aufnehmen lassen, nachdem eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt und die erforderlichen Schutzmaßnahmen getroffen wurden. Das bedeutet, dass bereits die Überlegung, neue Gefahrstoffe im Unternehmen einzusetzen oder neue Tätigkeiten zu etablieren, mit einer Erstbeurteilung einhergehen muss. Danach ist die Gefährdungsbeurteilung jedoch keinesfalls abgeschlossen. Vielmehr ist sie als kontinuierlicher Prozess zu verstehen, der regelmäßiger und ereignisbezogener Anpassungen bedarf.
Die Gefährdungsbeurteilung für Gefahrstoffe ist insbesondere zu aktualisieren, wenn
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